Ich will einen Adventskalender!

 „Mir egal, wie alt ich bin, ich will einen Adventskalender!“ Dieser Spruch fand sich in jenem Jahr auf Aufklebern, Plakaten, Internetbildern und natürlich auch Adventskalendern. Es ist ein paar Jahre her, und es ist genau so passiert. Nur die Namen von ein paar Beteiligten sind vorläufig geändert.

Auch der alte Mann, den ich in der Klinik besuchte, hatte einen Adventskalender mit diesem Spruch in seinem Zimmer stehen. Er wusste, es würde sein letzter Adventskalender sein. Den 24. Dezember wollte er gern noch erleben. Weil es sein Hochzeitstag war. Es war klar, wenn er es schaffen wollte, musste er einen Tag nach dem andern angehen. Was passte da besser als ein Adventskalender mit dieser Aufschrift?

Ich kann mir selbst den Advent auch nicht ohne Kalender vorstellen, aber es ist doch etwas komplizierter. Denn wer in den besten Jahren noch einen Adventskalender will, will den aus der Kindheit. Egal, wie wir den Advent verstehen, egal, wie viele Semester Theologie wir studiert haben könnten, der normale Adventskalender ist der aus unserer Kindheit.

Das war für mich, 80er Jahre, der Adventskalender von Aldi mit den 23 kleinen Schokoladenfiguren und der einen etwas größeren, die im Türchen in der Mitte war und immer einen Weihnachtsmann darstellte. Immer. Und genau den gab es bei Aldi Elmenhorst nicht. Alle möglichen gab es. Auch viel größere und teurere und vielleicht sogar schmackhaftere. Aber nicht den ganz normalen.

Ich tat, was ich immer tue, wenn ich meinen Frust loswerden will: Ging an den Computer und schrieb bei Facebook folgenden Eintrag:

„Mir egal, wie alt ich bin. Ich will nicht irgendeinen blöden Marken-#Adventskalender von Lindt oder Niederegger oder Lego. Ich will den einfachen mit den winzigen Schokobildern drin. Und den hat #Aldi dieses Jahr nicht mehr. Ich bin 42, und jetzt ist meine Kindheit vorbei.“

Wohlmeinende Freunde antworteten, verwiesen mich etwa auf Penny oder Lidl, aber das ist nicht dasselbe. Und es waren auch nicht die gleichen.

Mein alter Studienkollege Nikolas aus der Pfalz meinte, kommentieren zu müssen: „Unser Adventskalender war übrigens aus Papier, und hinter den Türchen waren Bilder.“

„Ja, ich weiß, Opa“, antwortete ich, „ihr hattet ja nichts.“

Nikolas ist nur 2 Jahre älter als ich. Wir nahmen es einander nicht übel.

Aber niemand konnte etwas schreiben, was mir wirklich geholfen hätte. Doch bereits einen Tag später brachte die Post mir ein Pappumschlag, etwas größer als A4, und ich fand daran, Sie ahnen die vorhersehbare Pointe, einen original Türchen-Schoko-Adventskalender. Jemand hatte ihn bestellt und an mich senden lassen. Wer, wusste ich nicht.

Ich veröffentlichte Foto und Dank, und als Spender offenbarte sich Noel, der Ehemann meiner Kommilitonin Lucia, aus der Schweiz. Ich bin Noel noch nie persönlich begegnet. Dass auf der Zutatenliste eins meiner Allergene war, verschwieg ich aus Rührung. Es war auch kein großes Problem, denn einen weiteren Tag später brachte die Post einen weiteren Pappumschlag, etwas größer als A4. Kollegin Barbara aus Berlin hatte dieselbe Idee gehabt, aber sogar einen brandenburgischen Kunst-und-Kitsch-Versandhandel beauftragt, jene Sendung für mich fertig zu machen. Ohne Absprache mit ihr schickten sie mir neben einem Türchen-Schoko-Adventskalender gewissermaßen als Werbegeschenke auch eine Grußkarte, einen 10%-Rabattgutschein sowie ein einzelnes Präservativ in der Geschmacksrichtung Grüne Minze. Was in Kombination mit Milchschokolade kulinarisch gewagt ist.

Jedenfalls hatte ich erneut Anlass, ein Foto und einen Dank zu veröffentlichen. Aus irgendeinem Grund sprach das sehr einfache Bild mit einem Weihnachtsmann und zwei Kindern meine Kommilitonin Lucia in der Schweiz sehr an, und sie schrieb „So einen hätte ich auch gern.“

Ich will nicht behaupten, dass ich sehr einfallsreich war, aber zufällig hatte ich noch einen Umschlag in der passenden Größe. Und zu meiner fast noch größeren Freude hatte Aldi Ahrensburg, was ich bei der anderen Filiale vermisst hatte. So bekam die größere Tochter den aus der Schweiz.

Was ich nicht wusste, war: Lucias Kinder waren gerade in einem schweren Trauerprozess. Ihr liebster Klettertannenbaum im Garten war alt und krank geworden und musste zwei Tage vor Nikolaus gefällt werden. Die Reste lagen noch auf dem Spielplatz.Und wer selbst einmal einen Lieblingskletterbaum hatte, weiß: Damit geht ein Stück Kindheit verloren. Einen Tag vor Nikolaus bekamen sie einen Pappumschlag aus Deutschland. Es brachte den Baum nicht wieder, aber es konnte ein wenig trösten, und – so erfuhr ich – die Kinder teilten sich den Inhalt gerecht. Einer an den geraden Tagen, einer an den ungeraden.

Der alte Mann im Krankenhaus wird das Weihnachtsfest jenes Jahres wohl nicht mehr erlebt haben. Lucia, Noel und ihre Kinder erlebten das erste Weihnachtsfest ohne den Lieblingskletterbaum. Und im September des nächsten Jahres erfuhren wir: Es war für Barbara und ihren Ehemann das letzte gemeinsame Weihnachtsfest gewesen. Zur Trauerfeier nach Berlin habe ich es nicht geschafft.

Ich las, wie es ihr ging. Wie sie schrieb, sie müsse ganz neu lernen, einen Tag nach dem andern zu nehmen. Dann näherte sich der Advent. Und ich fand, dieses Jahr musste sie ein Paket von mir bekommen. Zu ihr passte besser der mit 24 Teesorten.

Ein Adventskalender ist mehr als etwas Pappe mit Nummern und Türen, hinter denen sich irgendetwas versteckt. Er ist ein Stück Kindheit für die, die sonst erwachsen sein müssen. Ein Trost, wenn ein Stück Kindheit verloren geht. Eine Gehhilfe bei den Schritten am Ende eines langen Weges. Ein Begleiter bei den ersten Schritten eines ganz neuen Wegs.

Ich liebe es, „Macht hoch die Tür“ zu singen. Die großen Türen unseres Lebens zu öffnen für den Herrn, der auf uns zukommt. Aber manchmal hilft es, kleinere Türen zu öffnen, jeden Tag eine weitere, die uns helfen, auf ihn zuzugehen, Schritt für Schritt, einen Tag nach dem andern. Egal wie alt wir sind.

Der Bischof und die Bettlerin

Im Herbst stinken die Straßen von Tours immer ganz besonders. Die Bauern bringen ihre Erntegaben zum Markt, mancher eine Gans oder ein Pferd oder was sie sonst an Tieren haben. Nach ein paar Tagen riecht es wie ein ungeputzter Stall. Nein, schlimmer, denn dort gibt es nur die Hinterlassenschaften der Tiere. Auf dem Markt kommen die Besitzer dazu. Bald machen die Stadtbewohner mit. Essen, verdauen, trinken, anbandeln. Es ist die geschäftigste Zeit des Jahres, auch für die Gastwirte, Huren und Bettler.

Unserm Bischof waren von all dem am meisten die Pferde und Gänse zuwider. Warum, wusste ich nicht. Bischof Martin galt als eigenartig. Erst hatte er sich gesträubt, Bischof zu werden. Dann bestand er darauf, auch als Bischof in einer Hütte am Stadtrand zu leben. Aber zur Erleichterung der Priester hatte er sich langsam in das Amt gefunden. Für besondere Anlässe akzeptierte er sogar eine Leibgarde.

Ich hatte gerade als junger Soldat angefangen. Die Uniform, für die meine Eltern lang gespart hatten, drückte noch ein wenig. Den roten Umhang, der dazugehörte, trug ich mit Stolz. Heute war mein erster großer Auftrag: Der Bischof sollte ein neues Armenhaus einweihen, und ich gehörte zu seiner Eskorte.

Bischof Martin hatte ein Herz für die Armen, hieß es. Er gründete ein Armenhaus nach dem andern und rief die Reichen in der Stadt auf, für diese Häuser zu spenden. Jetzt war wieder einmal eins gebaut worden und wartete auf den bischöflichen Segen.

So gingen wir dem Tross des Bischofs voran durch die stinkenden Straßen von Tours. Bischof Martin trug den Mantel aller seiner Vorgänger, hielt den Bischofsstab fest in der Rechten, auf seinem Haupt glänzte die Bischofskrone. Sein Gesicht war zur Feier frisch rasiert worden. Die Lippen presste er fest aufeinander. Manche sagten, ihm gefalle der Aufzug nicht. Ich erkannte in seinen Zügen vor allem die Disziplin des Soldaten, der er gewesen.

Die Menschen wichen zur Seite, wenn sie uns kommen sahen. War es die Angst vor meinem Schwert? Oder die Ehrfurcht vor seinem Bischofsstab? Einige verneigten sich. Andere riefen Huldigungen. Drehte ich mich um, sah ich, dass die Lippen des Bischofs noch ein wenig schmaler geworden waren.

Fast hätte ich dabei übersehen, was ein paar Schritte vor uns geschah. Da stolperte ein Wesen in Lumpen auf die Straße. Unser Zug hielt gerade noch rechtzeitig. Die Menge wurde still.

Vor uns saß ein Mädchen von vielleicht 17 Jahren. Sie trug einen alten Rübensack als Kleid, die dürren Ärmchen waren unbedeckt. Ihr dunkelblondes Haar hing wirr an allen Seiten herunter, ihre blauen Lippen zitterten.

„Erbarmt euch! Mir ist so kalt!“ rief sie uns zu.
„Nicht schon wieder!“ hörte ich leise hinter mir den Bischof murmeln. Und laut sprach er:
„Was willst du?“
„Seit Tagen bin ich auf der Straße, friere und hungere. Habt Ihr nicht eine Kleinigkeit für mich, ihr edlen Herren?“

Ich blickte mich zum Bischof um und sah, wie er nach Worten suchte und mit geschlossenem Mund ihren Geschmack prüfte. Doch einer seiner Priester mochte nicht so lang warten:

„Niemand in Tours muss auf der Straße sitzen. Wir haben genug Armenhäuser.“
„Wart Ihr einmal dort, Hochwürden?“ fragte sie.
„Natürlich, zur Einweihung!“
„Danach wohl nicht mehr? So wisst Ihr auch nicht, was da jetzt für Sitten herrschen. Für ein Mädchen ist es besser, allein auf der Straße zu sein, als dort in einem Saal mit lauter Fremden.“

„Unerhört!“ rief eine alte Bäuerin.
„Was nimmt sie sich heraus gegenüber unserm Bischof?“ ein Stadtrat.
„Aber recht wird sie haben!“ sagte eine Nonne zur anderen.
„Sag nur, du hast dich noch nie einem angeboten!“ spottete eine von den Marktfrauen.
„Was tätet Ihr denn, wenn sie Euch anders kein Brot gäben?“ fragte das Mädchen zurück.

„Aber du siehst, dass wir auf einem heiligen Weg zu einer Weihe sind“, mischte sich der Priester wieder ein. „Es geziemt sich nicht, uns dabei aufzuhalten.“

„Bischof Martin“, wandte sie sich direkt an den Bischof, „es heißt, Ihr habt schon einmal einem Bettler Euren Mantel gegeben!“

„Den halben!“ warf ein Junge ein.

„Ach, spricht sich die alte Geschichte immer noch rum?“ brummte der Bischof.

„Es war eine Eurer besten Predigten, Exzellenz!“ antwortete ein Mönch.
„Wie wahr!“ warf ein wohlbeleibter Kaufmann ein. „Vor allem die Stelle mit dem Traum, in dem Christus zu Euch sagt“
„Der Bettler war ich!“ rief die Menge.
„Dass das Leid jedes Armen uns Christus zeigen möge …“ Eine Dame trocknete sich eine Träne mit dem Ärmel des Kleides „das rührt mich immer noch jedes Mal!“
„Wozu rührt es Euch denn, meine Tochter?“ fragte der Bischof.
„Na zu spenden!“ sprach sie, nun wieder ganz gefasst! „Keins Eurer Armenhäuser wäre gebaut worden ohne die großzügigen Gaben aus den Familien des Stadtrats.“
„So ist es!“ meldete sich wieder der Kaufmann. „Da haben Eure Predigten in uns ausgelöst. Bevor Ihr kamt, waren in allen Straßen der Stadt die Bettler zu sehen, und heute -“
„- sind sie nicht mehr zu sehen?“ merkte der Bischof an.
„Genau!“

Während die Menge sich weiter im Lob der Predigten des Bischofs und ihrer Auswirkungen auf das Stadtbild erging, ließ ich meinen Blick wieder schweifen zwischen ihm, dem Volk und der Bettlerin. Sie stand immer noch vor uns, die Augen auf den Bischof gerichtet, eine Antwort erwartend. Aber er war zu sehr ins Gespräch mit dem Volke vertieft, was Fürsorge für die Armen denn noch bedeuten könne außer Armenhäuser zu bauen. Nun waren seine Lippen nicht mehr geschlossen. Die Kampfbereitschaft hatte sich zum Kampf gewandelt.

Die Lippen derer, die er dort verteidigte, schlugen immer schneller aufeinander. Ich spürte im Gesicht den ersten kalten Wind. Wie mochte es ihr gehen, fast nackt? Der Bischof sah sie nicht mehr.

Ich weiß nicht, wie ich darauf kam, aber ich hatte oft genug mit den Freunden Räuber und Legionär gespielt, um sie richtig einzuschätzen. Der Entschluss war da, ehe ich über ihn nachgedacht hatte.

Sie war keine zwei Schritte von mir entfernt. Ich zischte leise, bis sie mich ansah. Dann zog ich das Kurzschwert und rief, für alle hörbar: „Du, bleib sofort stehen!“

Sie tat, was ich erwartet hatte, und lief davon. Ich ließ sie ein paar Sprünge vorankommen, drehte mich dann zu den Kameraden und sagte „Beschützt ihr seine Exzellenz, ich eile ihr nach.“

Dann sprang ich auch davon.

Meinen Eltern und Vorgesetzten erzählte ich später, der Umhang sei an einer Mauerkante aufgerissen worden und dort hängengeblieben. Mutter war todtraurig, Vater gab mir einige Ohrfeigen. Der Umhang hatte sie mehrere Ziegen gekostet. Ein neuer war nicht zu bezahlen. Aus der Legion wurde ich entlassen, bevor ich richtig angefangen hatte.

Als ich ein paar Wochen später beim Holzsammeln an der Hütte des Bischofs vorbeikam, bat er mich zu sich. Er hatte von meinem Missgeschick mit dem Umhang gehört und fragte, wo genau er zerrissen sei. Er wollte sogar das übrige Teil sehen, das ich inzwischen als Halstuch gegen die Kälte trug. „Welche Mauer hinterlässt denn so einen Riss?“ fragte er. „Sie musste ja scharf sein wie ein – aber was interessiert mich das? Du suchst Arbeit, Junge?“

So kam ich zu meiner Stellung als Wächter des Armenhauses. Als eine der ersten Handlungen teilten wir es in einen Bereich für Männer und einen für Frauen. Wir legten außerdem einen Garten an, aus dem die Bewohner die Waren auf dem Markt verkaufen sollten. Die Kaufleute mussten sich an den Anblick der Armen wieder gewöhnen, aber die Predigten des Bischofs taten das Ihre, damit keiner sich beschwerte.

Hin und wieder kommt sie für eine oder zwei Nächte zu uns. Sie hilft im Garten und der Küche und ist eine der geschicktesten Verkäuferinnen. Dann früh morgens verlässt sie den Schlafsaal der Frauen und zieht weiter. Niemand sieht sie gehen, außer mir, wenn ich die Nachtwache bin. Aber noch in der Ferne kann ich sie erkennen an der roten Decke, in die sie sich wickelt.

Das Mädchen und der Bote

Jeden Morgen trafen sie sich am Brunnen. Eine Mädchenclique. Wobei: Viel Clique war da nicht. Es gab nur eine Handvoll von ihnen. Sie waren zwischen 14 und 16 und lebten noch bei den Eltern. Waren also noch nicht verheiratet. Worden. Die Mutter schickte sie jeden Morgen zum Wasserholen.

Rivka und Sara waren wie immer als erste da. Hatten es auch nicht so weit zum Brunnen.

„Alter, ist das heiß!“ stöhnte Rivka. „Wird es echt schon wieder Frühling?“

„Ich glaub ja eher, dein Körper spielt wieder verrückt!“ zog Sara sie auf.

„Hör mir auf damit! Kann ich was dafür? Mal schwitze ich und mal ist mir kalt, und dann kommen die Bauchschmer-“ sie wimmerte und hielt sich die Hüfte.

„Schon wieder?“ fragte Sara.

„Ich hab echt keine Ahnung, wie viele Tage es dauert. Völlig unregelmäßig.“

„Wie oft hattest du sie denn schon?“ fragte Sara.

„Viermal.“

„Wird sich noch einpendeln. Dann weißt du wenigstens, wann du mit dem Ärger rechnen musst. Aber guck mal. Da kommt Mariam. Wie immer ein bisschen später.“

Von der anderen Ecke des Platzes näherte sich ein schwarzer Lockenkopf mit einem Mädchen drunter. Sie wippte vor sich hin, den Wasserkrug trug sie lässig in einer Hand. Kaum war sie in Hörweite, rief sie:

„Shalom, Ladies! Was geht?“

„Shalom, Mariam. Du bist ja wieder gut drauf“, antwortete Sara.

„Der Hinweg ist immer leichter, und nach dem Rückweg kann ich mich ausruhen.“

„Ich weiß gar nicht, ob ich den Rückweg schaffe“, keuchte Rivka.

Mariam blickte sie nur kurz an und fragte: „Schon wieder?“

Rivka nickte bloß.

„Besser, du gewöhnst dich dran. Wird noch oft genug vorkommen“, meinte Mariam.

„Du hast gut reden“, sagte Sara, „Bei dir ist es ja bald erstmal wieder vorbei mit jedem Monat.“

„Was willst du damit sagen?“ fragte Mariam, ein bisschen spitz.

„Hört man doch immer wieder. Kaum ist eine verheiratet worden, wird sie schwanger, kriegt ein Kind nach dem andern. Und dann ist es mit diesen Schmerzen erstmal vorbei.“

„Und du meinst, bei mir läuft das auch so, oder was?“

„Ich will ja nichts sagen, aber deine Mutter hat’n guten Geschmack. Dein Zukünftiger ist Zimmerer, jeden Tag auf dem Bau.“

„Und?“

„Der dürfte körperlich fit sein, oder?“ Sara grinste, selbst Rivka kicherte leise, Mariams braunes Gesicht wurde noch ein bisschen dunkler.

„Kann ich nichts zu sagen. Josef ist schon okay. Aber eins nach dem andern.“

„Ist dir das peinlich, Mar?“ lachte Sara.

„Gar nicht, ey. Ist nur … naja … anders. Bald komme ich nicht mehr morgens zum Brunnen. Die Ehefrauen haben andere Zeiten, und die Mütter erst. Und wenn wir uns doch sehen, wollt ihr bestimmt nur wissen, wie es so ist.“

„Es?“

„Das Eheleben!“ betonte Mariam etwas zu genau.

„Hast du etwa Schiss, Mariam?“

Mariam nahm eine Handvoll Sand vom Boden und warf sie Sara gegen die Brust. Die Augen blitzten, aber sie lachten sich an.

„Ich hab doch keinen Schiss, Sara.“

„Mariam hat vor nichts Angst, Rivka!“ rief Sara.

„Klar!“ lächelte Rivka.

„Doch schon“, gestand Mariam. „Ich hab Angst vor dem, was kommt. Weil ich’s nicht kenne. Ich meine, ich will schon gern irgendwann selber Mutter sein. Aber wieso hat der Allmächtige“

„Gepriesen sei er!“ warf Rivka ein.

„Gepriesen sei er“, erwiderte Mariam, „Warum hat er es so schwierig gemacht?“

„Genau, ey!“ meinte jetzt wieder Sara. „Wisst ihr, wie viele Mütter bei der Geburt sterben?“

„Und manche überleben, aber dann stirbt das Kind“, flüsterte Rivka.

„Auch scheiße!“ brummte Mariam. „Da hast du einen Menschen 9 Monate in dir getragen, und dann siehst du, wie er stirbt.“

„Kann manchen auch noch passieren, wenn das Kind groß ist.“

„Ja, wenn er sich mit den Römern anlegt. Sollte man nicht machen.“

„Sei nicht so streng. Sie wollen unser Volk befreien!“ rief Sara. „Rivkas großer Bruder ist auch dabei.“

„Dann soll er aufpassen. Die meisten kommen nicht wieder. Und dann, Rivka, wird dein Mann den Besitz deiner Eltern erben.“

„Ich hab ja noch nicht mal nen Mann.“

„Kommt noch.“

„Weiß gar nicht, ob ich das will“, meinte Rivka. „Ich meine, Geburt, Lebensgefahr, fett werden, und das mit dem Mann, muss das sein? Warum hat der Allmächtige“

„Gepriesen sei er“, sagten die drei im Chor.

„Warum hat er es so eingerichtet?“

„Angeblich finden einige Frauen es ganz schön“, meinte Sara.

„Aber andere nicht!“ schnappte Rivka. „Ich will nicht sagen, dass der Allmächtige, gepriesen sei er, ungerecht sei. Aber…“ sie schweig, und setzte nach einer Weile hinzu: „Da blute ich lieber einmal im Monat.“

„Jetzt übertreib mal nicht, Riv!“ sagte Mariam. „Wir helfen dir jetzt erstmal deinen Krug nach Hause tragen, und dann ruhst du dich’n bisschen aus.“

Sie fasste Rivkas vollen Krug mit der einen Hand am einen Henkel. In der andern hielt sie ihren eigenen leeren Krug. Rivka hob ihren am anderen Henkel.

 

„Kinder bekommen ohne Mann, das wäre was, oder?“ feixte Mariam auf dem Weg.

„Mach keine Witze!“ sagte Rivka leise. „Ich weiß nicht, wie genau es eingerichtet ist, aber dass es ohne diese Sache mit dem Mann nicht geht, weiß jede Frau.“

„Und stell dir mal vor, Mar“, warf Sara ein, „du hast auf einmal einfach so ein Baby im Bauch.“

„So wie in dem alten Text, ne?“ Mariam richtete sich auf und rezitierte, wie auf einer Bühne: „Eine Jungfrau ist schwanger!“ Die drei kicherten.

„Ist angeblich auch gar nicht so gemeint“, sagte Rivka. „Das alte Hebräisch ist nicht so eindeutig, und die Griechen sollen dann erst die Jungfrau draus gemacht haben.“

„So genau kann ich nur unser Aramäisch“, meinte Mariam. „Wozu soll ich andere Sprachen lernen, wenn ich später doch nur zu Hause bin und Kinder kriege.“

„Aber Griechisch ist wichtig, das kann jetzt jeder“, erwiderte Rivka, „Spricht dein Josef bestimmt auch.“

„Aber nun stell dir mal vor, du erwartest ohne Mann eins“, beharrte Sara.

„Das würden die Männer nicht lustig finden! Frauenbefreiung!“ rief Mariam, ein bisschen zu laut. Das Echo kam von der Hauswand zurück.

„Aber vor allem würde dir keiner glauben.“

„Stimmt!“ Mariam wurde verlegen. „Ey, die steinigen mich oder so was Krasses!“

„Das vielleicht nicht gleich, aber wenn’s kein Sohn wird, kannst du die Altersabsicherung vergessen. Dann wärst du ausgestoßen.“

„Auch nicht so cool. Dann doch lieber mit echtem Vater.“

Sie waren angekommen. Rivka trug den Krug das letzte Stück ins Haus, Sara ging mit ihrem Krug noch ein Stück weiter.

Mariam kehrte zum Brunnen zurück, um ihren Krug zu füllen. Sie blickte zur Sonne.

„Alter, wie spät am Tag ist es schon“, murmelte sie. „Da wird Mutter sicher denken, ich hätte mich heimlich mit Jo getroffen. Peinlich“, aber sie grinste dabei. Als er vor ihr stand.

Wo er hergekommen war, wusste sie nicht. Sie konnte sonst Schritte hören. Er sah nicht schlecht aus, vertraut, aber auch fremd. Aber vor allem kam er praktisch aus dem Nichts.

Mariam stand wie angewurzelt da. Oder wie man dort sagte: „Wie Lots Frau“. Da sprach er zu ihr: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.“

„Was geht denn hier ab?“ brach es aus ihr heraus. Und dann sprach sie leise zu sich selbst: „Das muss die Sonne sein, ey. Was ist das bitte für ein seltsamer Gruß? Und wer ist der Typ überhaupt? Was mache ich hier?“

Und sie tat, was jedes Mädchen in Nazareth und anderswo getan hätte: Sie ließ den Krug stehen und rannte davon. Die Straßen der Stadt kannte sie wie keine andere. Links an der Werkstatt vorbei, zwei Häuser weiter, wieder um eine Ecke, neben dem Schafgatter rechts, „Das muss die Sonne sein, was sonst?“ keuchte sie, jetzt immer geradeaus bis zur Synagoge und dann… Da stand er vor ihr.

Sie bremste so stark, dass sie hintenüber in den Staub fiel. Ich muss schnell aufstehen, dachte sie, sonst wird er-

„Fürchte dich nicht, Mariam, du hast Gnade bei Gott gefunden“, sagte er.

„Die brauch ich jetzt auch, glaub ich!“ murmelte sie leise vor sich hin, während sie sich aufsetzte. Aber wieso kennt er meinen Namen?

„Siehe“, sagte er, und sie sah ihn an. Das war kein gewöhnlicher Mensch. Aber er war auch keine Einbildung, das merkte sie. Er öffnete wieder den Mund:

„Du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben.“

Mariam blinzelte. Die Worte, die sie sagen wollte, drehten sich in ihrem Kopf. Aus ihrem Mund kam nichts, aber dieser Gottesbote, oder was immer es war, sprach weiter.

„Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.“

„Okaaaay…?“ murmelte Mariam. „Aber wie soll das gehen? Dazu hätte ich doch mit einem Mann, also, und ich wüsste nicht, also ich hab noch nie …“

Der Bote streckte die Hand zu ihr aus. Sie griff danach. Stand vorsichtig auf. Sie blickte sich um. Der Fluchtweg nach hinten war frei. Aber was würde das nützen? Also versuchte sie, ihn fragend und herausfordernd anzublicken. Ob es ihr gerade gelang, würde sie nie erfahren. Denn der Bote antwortete:

„Der heilige Geist wird über dich kommen…“

„Ruchah, äh, die Ruach?“ verbesserte sich Mariam schnell. Das Hebräisch der Mütter und Väter aus den Schriften fühlte sich richtiger an als ihr Alltagsaramäisch. Bei diesem Wesen. Und bei diesem Thema. „Krass!“ setzte sie hinzu

„… und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“

„Oh!“

„Darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden.“

„Sohn Gottes gleich? Hätte Messias fürs Erste nicht gereicht? Nee, im Ernst jetzt, warum sollte ich das glauben?“

„Siehe!“ sagte der Gottesbote. Und sie sah. Ihm direkt ins Gesicht. Ihr schien, er würde lächeln. Über den Messias-Spruch? Er erklärte es nicht:

„Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn“

„Elisabeth, die ist doch irgendwie 70 oder sowas? Und ist sie nicht…“

„In ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, von der man sagt, dass sie …“

„… unfruchtbar?“

„… unfruchtbar sei. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.“

„Das weiß ich wohl. ‚Der Allmächtige, gepriesen sei er‘ und so. Aber wir hatten das mehr so allgemein gesagt.“

Der Bote blickte sie an. Wartete er auf etwas? Für einen Moment ging sein Blick über ihre Schultern. Sie drehte sich um. Da war nur der leere Weg. Der Fluchtweg? Oder ein anderer Weg?

„Elisabeth ist schwanger?“ flüsterte sie. „Das will ich sehen.“

Der Bote stand immer noch da. Warum verschwand er nicht? In den Schriften taten das die Malachim – oder die Angeloi, wie die Griechen sagten – doch immer: Sagten, was zu sagen war, und verschwanden.

Wartete er auf etwas? Er blickte ihr jetzt wieder direkt ins Gesicht. Sollte das fragend oder herausfordernd sein? Sollte sie etwas sagen?

„Also was du mir gerade erzählt hast, klang jetzt nicht so, als würde ich ne Wahl haben, oder?“ Die Worte klangen richtig, fühlten sich aber nicht so an.

„Ich meine, der Allmächtige, gepriesen sei er, ist der Boss, oder?“

Der Bote schaute jetzt wieder über ihre Schultern. Auf den Fluchtweg?

„Siehe!“ sagte Mariam, und der Bote sah sie an. Direkt ins Gesicht. „Ich bin des Herrn Magd.“

Die Augen des Boten weiteten sich ein bisschen. Er öffnete die Hände, als wollte er fragen: „Und?“

Mariam bekam die Worte fast nicht heraus, und gleichzeitig konnte sie nicht anders, als sie zu sagen. So brachen sie hervor, gemeinsam mit den Tränen: „Mir geschehe, wie du gesagt hast.“

Sie war allein. Die Sonne stach. Der sandige Weg lag hinter ihr. Wenn sie sich umdrehte, vor ihr.

„Was war das denn?“ fragte sie sich selbst. Sie hoffte, dass jetzt niemand da war und zuhörte.

„Muss die Sonne gewesen sein. Klar. War ne harte Woche.“ Sie strich sich den Sand von der Kleidung. „Schwanger, ich, ohne Mann, ja nee is klar. Aber schwanger? Elisabeth? Ich hab sie lang nicht besucht. Ich könnte ja mal, ganz unverbindlich, also nicht, dass ich es glauben würde. Ich hab mir irgendwas zusammengeträumt. Aber ich war wirklich lange nicht bei ihr.

Ich muss das Rivka und Sara – oder besser nicht. Die glauben mir doch nicht. Aber Eli könnte ich besuchen.“ Sie war immer noch etwas benommen. „Meine Fresse, was war das? Die Männer würden sagen, ich brauche jetzt erstmal einen Schluck -oh!“

Wo eben der Bote gewesen war, stand ihr Wasserkrug, bis zum Rand gefüllt. Der Weg nach Hause war kurz. Aber Mariam hatte einen längeren Weg vor sich.

Lebensschutz fürs Staatsvolk: idea, die AfD und die Abtreibung

(Was sich eigentlich von selbst versteht, benenne ich hier noch einmal: Jeder Blogbeitrag ist ein Diskussionsbeitrag. Ich versuche hier, sachlich und ohne Polemik zu schreiben. Wenn ich an einer Stelle einem Missverständnis erliege, bitte ich um sachliche und unpolemische Hinweise darauf.)

Noch immer gehöre ich zu den Abonnenten von „ideaSpektrum“. Ich komme aus dem evangelikalen Rennstall, habe diese Prägung auch nie hinter mir gelassen, sondern lediglich in etwas Größeres mitgenommen. Und ich will die Diskussionen, die dort stattfinden, mitbekommen und hin und wieder auch mitreden.

In letzter Zeit beobachte ich (es ist fast unmöglich, das nicht zu beobachten) dort eine große Sympathie für die Partei „Alternative für Deutschland“, in der Redaktion, noch mehr aber in Leserbriefen. Dabei sind die wenigsten Evangelikalen völkisch oder national gesinnt. Sie können europäischer Solidarität etwas abgewinnen, und ihre Gemeinden sind ethnisch häufig sehr bunt und mehrsprachig. Darin unterscheiden sie sich von dem Klischee der typischen AfD-Wähler. Für die Sympathie gibt es wohl einen anderen Grund, der sich ungefähr in dem einen Satz zusammenfassen lässt „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“. Der „Feind“ wird vor allem in zwei Punkten ausgemacht: 1. „dem Islam“, 2. „der Abtreibung“.

Was „den Islam“ angeht, habe ich das Argument nie so richtig verstanden. Mission und Evangelisation sind ein Markenkern des Christentums und werden vor allem von Evangelikalen hochgehalten. Wenn man nun für die Mission unter Andersgläubigen nicht mehr in den Busch oder die Wüste fahren muss, sondern sie zu uns kommen – wie viel netter kann Gott zu seinen Leuten noch sein? Hätten die Apostel, Mönche und Missionare die anderen Religionen als Bedrohung verstanden, wäre das Christentum eine kleine Sekte im Morgenland geblieben. Selbst wenn es „Masseneinwanderung“ von Muslimen geben sollte – Christen sehen das nicht als bedrohliche „Islamisierung“, sondern als Gelegenheit zur Mission.

Der zweite „Feind“ verdient ein bisschen mehr Diskussion. Denn nicht selten wird das Mantra wiederholt, die AfD sei „die einzige Partei, die sich gegen Abtreibung ausspricht“. Und ich fragte mich zunehmend: Stimmt das?

Lasst mich ein bisschen ausholen:

  1. Ich bin auch „gegen Abtreibung“. Ich bin der Ansicht, dass bei einer Schwangerschaftsunterbrechung ein Mensch getötet wird. Das liegt vor allem daran, dass ich nicht es für möglich halte, irgendwo in der Entwicklung eines Menschen die Grenze zu ziehen, ab der es ein Mensch ist. Ich kann sie aber nicht „Mord“ nennen: Für deutsches Recht fehlen in der Regel Mordmerkmale, und auch das hebräische Wort „razach“ aus dem 5. Gebot (lutherische Zählung) heißt „morden“ und umfasst nicht alle Anlässe der Tötung eines Menschen. Aber ich glaube, unabhängig davon lehne ich mich theologisch nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich aus dem Gesamtzeugnis der Bibel ablese: Gott will, dass Menschen leben. Um davon abzuweichen, muss es sehr gute Gründe geben.
  2. Ich weiß von keiner Partei, die „für Abtreibungen“ ist. Niemand hasst Embryos oder sieht Kinder als Bedrohung für unser Land. Die politische Diskussion dreht sich nicht um die Frage, ob man Abtreibungen gut oder schlecht findet, sondern wer darüber unter welchen Gesichtspunkten zu entscheiden hat. Und da man die vor allem betroffene Person, nämlich das ungeborene Kind, nicht fragen kann, muss man entscheiden: Wen dann? Seine nächste Angehörige? Noch andere Menschen? Oder sollte es nicht im Einzelfall, sondern generell entschieden werden, mit Festlegung möglicher Ausnahmen? All das lässt sich nicht in „für“ oder „gegen“ fassen.

Aber wie ist die Ansicht der AfD zu dem Thema? KritikerInnen der Partei werden immer wieder darauf hingewiesen, man sollte nicht Äußerungen Einzelner pauschal auf die ganze Partei übertragen, sondern bitte das Wahlprogramm lesen. Das hat bei dieser Frage schon deswegen Sinn, weil Einzelne sich sehr selten dazu äußern.

Das Wahlprogramm („Programm für Deutschland“) zur letzten Bundestagswahl gibt es in einer Langfassung und einer Kurzfassung. Die Position zum Thema findet sich im Kapitel zur Familienpolitik. Das Wort „Abtreibung“ kommt nur in der Langfassung dreimal vor. Die Kurzfassung schreibt „Tötung Ungeborener“.

Liest man in der Langfassung nur die Sätze unter der Überschrift „Willkommenskultur für Neu- und Ungeborene“ ohne Kontext, scheint sich das Lob der Lebensschutz-Fraktion auf den ersten Blick zu bestätigen:

Die Alternative für Deutschland setzt sich für eine Willkommenskultur für Neu- und Ungeborene ein. In Deutschland kommen auf rund 700.000 Lebendgeburten pro Jahr ca. 100.000 Schwangerschaftsabbrüche. Dabei liegt nur bei drei bis vier Prozent eine medizinische oder kriminologische Indikation vor, in allen anderen Fällen wird der Schwangeren nach einer Beratung eine Bescheinigung ausgestellt, die ihr eine straffreie Abtreibung aus „sozialen Gründen“ ermöglicht. Ein Schwangerschaftsabbruch stellt eine einschneidende Erfahrung für die Betroffenen dar und kann zu langanhaltenden Schuldgefühlen, psychosomatischen Beschwerden der depressiven Reaktionen führen. (Wahlprogramm Langfassung S. 44).

Das dürfte stimmen (hab die Zahlen nicht kontrolliert) und wird auch von niemandem bestritten – auch nicht von denen, die die Mutter entscheiden lassen wollen.

Die AfD steht für eine Kultur des Lebens und ist im Einklang mit der deutschen Rechtsprechung der Meinung, dass der Lebensschutz bereits beim Embryo beginnt. Wir fordern daher, dass bei der Schwangerenkonfliktberatung das vorrangige Ziel der Beratung der Schutz des ungeborenen Lebens ist. Werdenden Eltern und alleinstehenden Frauen in Not müssen finanzielle und andere Hilfen vor und nach der Entbindung angeboten werden, damit sie sich für ihr Kind entscheiden können. Adoptionsverfahren sind in diesem Zusammenhang zu vereinfachen. (ebd.)

Dies ist der gelobte Passus. Satz 1 sagt dabei selber, dass er im Einklang mit der deutschen Rechtssprechung steht. Satz 2 „fordert“ genau das, was längst Rechtslage ist:

StGB § 219 (1): 1Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. 2Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen; sie soll ihr helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen. 3Dabei muss der Frau bewusst sein, dass das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und dass deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, dass sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt. 4Die Beratung soll durch Rat und Hilfe dazu beitragen, die in Zusammenhang mit der Schwangerschaft bestehende Konfliktlage zu bewältigen und einer Notlage abzuhelfen.

Da gibt es also eigentlich nichts zu fordern, sondern nur das geltende Recht zu loben. Da hat der alte Bundestag gute Arbeit gemacht.

Die anderen Sätze sind Forderungen nach angemessenen Konsequenzen aus geltendem Recht, wie es sie größtenteils schon gibt. Aber soziale Unterstützung kann es nie zu viel geben.

Die AfD wendet sich gegen alle Versuche, Abtreibungen zu bagatellisieren, staatlicherseits zu fördern oder sie gar zu einem Menschenrecht zu erklären. (Wahlprogramm Langfassung S. 44)

Da wäre interessant, wo die AfD solche Versuche sieht. Das scheint das Missverständnis zu sein, welches ich oben unter 2. anspreche.

Der Kernpassus zum Thema Abtreibungen wirkt also im Großen und Ganzen aus konservativ-christlicher Sicht ganz okay, ist aber eigentlich keine Abweichung von dem, was derzeit sowieso gilt. Kein Grund für Evangelikale, nun gerade diese Partei zu unterstützen.

Interessanter – nein: bedenklicher! – wird das Ganze, wenn wir es im Kontext lesen. Das Kapitel „Familie und Kinder“ beginnt mit den einleitenden Worten:

Der AfD ist es ein wichtiges Anliegen, gewachsene kulturelle und regionale Traditionen und bewährte Institutionen zu schützen. Sie geben den Menschen Halt und Bindung.

Insbesondere Ehe und Familie garantieren als Keimzellen der bürgerlichen Gesellschaft den über Generationen gewachsenen gesellschaftlichen Zusammenhalt und genießen daher zu Recht den besonderen Schutz des Staates. (Wahlprogramm Langfassung S. 40)

Was die Gesellschaft zusammenhält, ist also „seit Generationen gewachsen“. Man könnte auch sagen: Abstammung.

Man fragt sich unwillkürlich, wie viel Platz die bürgerliche Gesellschaft für Menschen hat, die nicht schon zu diesen Generationen gehören. Zugezogene etwa, wie zum Beispiel meine Frau. Und was ist mit unseren Kindern?

Da ist es nur konsequent, wenn der zweite Abschnitt des Kapitels dann auch die Überschrift trägt „Mehr Kinder statt Masseneinwanderung“. Das hatten vor 18 Jahren die Republikaner in Verkürzung eines Jürgen-Rüttgers-Zitates schon mal griffiger gesagt „Kinder statt Inder“. Aber das waren ja auch Rechtsradikale.

Der Abschnitt beginnt mit:

Den demografischen Fehlentwicklungen in Deutschland muss entgegengewirkt werden. Die volkswirtschaftlich nicht tragfähige und konfliktträchtige Masseneinwanderung ist dafür kein geeignetes Mittel. (Wahlprogramm Langfassung S. 41)

Mit „demographischen Fehlentwicklungen“ ist wohl gemeint: Es gibt mehr Alte als Junge. Was zunächst mal eine Entwicklung ist, die Probleme mit sich bringt, aber sachlich gesehen, noch keine „Fehlentwicklung“.

Etwas unerwartet kommt hier das Schlagwort der „Masseneinwanderung“. Ich dachte, es ginge um Kinder? Aber sei’s drum!

Nun ist „Masse“ kein klar definierter Begriff (ähnlich wie bei „Massentierhaltung“). Man kann es also unterschiedlich empfinden, ab wann eine Anzahl von Menschen, die zu uns ziehen, „Masseneinwanderung“ ist. „Masse“ ist immer ein polemischer Begriff, nie sachlich. „Masse“ bedeutet in politischen Auseinandersetzungen immer lediglich „mir ist es zu viel“. „Konfliktträchtig“ wird Einwanderung also auch nicht durch die tatsächliche Anzahl, sondern vor allem durch diejenigen, die diese Anzahl als „Masse“ empfinden, denen es also zu viele sind. „Volkswirtschaftlich nicht tragfähig“ ist auch wiederum keine Frage der Anzahl, sondern des Umgangs mit den Menschen, die zu uns kamen. Stichworte Integration, Inklusion und, liebe Christen, Mission!

Bekämen wir das hin, wäre Zuwanderung vieler Menschen durchaus ein geeignetes Mittel, demographischen Problemen entgegenzuwirken. Hauptproblem ist dabei der gemeinsame Wille.

Die AfD macht nun einen anderen Vorschlag:

Vielmehr muss mittels einer aktivierenden Familienpolitik eine höhere Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung als mittel- und langfristig einzig tragfähige Lösung erreicht werden. (ebd.)

Die Politik muss dafür sorgen, dass mehr Kinder gezeugt und geboren werden. Und zwar von wem? Von der „einheimischen Bevölkerung“. Oder, wie es die Kurzfassung schreibt:

Der Erhalt des eigenen Staatsvolks ist vorrangige Aufgabe der Politik und jeder Regierung.

Eine kinderfreundliche Gesellschaft und der Erhalt des Staatsvolks sind daher als Staatsziel in das Grundgesetz aufzunehmen. (Wahlprogramm Kurzfassung S. 21)

Das Staatsvolk ist es also, das wachsen muss und erhalten werden soll, in unserem Land also das „deutsche Volk“.

Ein Wahlplakat 2017 hatte es schon mal zusammengefasst „Neue Deutsche? Machen wir selber!“ (googelt es, wenn Ihr es sehen wollt.)

In dem Zusammenhang hatte ich in Diskussionen im Internet schon häufiger AfD-Vertretern die Frage gestellt, ob denn meine beiden blonden deutschen Töchter als „neue Deutsche“ mitgezählt würden, da ja ihre Mutter zum Zeitpunkt ihrer Geburt noch keine deutsche Staatsbürgerin war. Ich habe leider nie eine Antwort bekommen. Liebe AfD, wenn Ihr es lest, ich wüsste es wirklich gern.

Der Familienpolitik der AfD geht es also in erster Linie um den Erhalt des „Staatsvolkes“. Dazu dient natürlich eine „höhere Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung“.

In diesem Kontext müssen die Aussagen der AfD über Abtreibungen und den Schutz ungeborenen Lebens gelesen werden. Es geht ihr vorrangig um den Schutz des ungeborenen deutschen Lebens.

Wenn eine in Deutschland lebende Holländerin, Syrerin, Russin oder Eritreerin vor dieser schweren Entscheidung steht, liegt aufgrund dieses Kontextes die Vermutung nahe, dass die Antwort der AfD weniger „evangelikal“ ausfiele. Vielleicht würden sie ihr sogar Mut dazu machen, und zur Sterilisation gleich dazu, wenn sie nicht in die Heimat ziehen und dort Kinder bekommen will.

Das ist freilich Spekulation, denn die AutorInnen des Wahlprogramms sind schlau genug, zu so konkreten Fragen nichts zu schreiben.

So äußern sich Evangelikale und AfD zwar im Wortlaut ganz ähnlich zum Thema Abtreibungen. Sie tun es aber aus völlig unterschiedlichen Gründen. Die Evangelikalen wollen jedes ungeborene Leben schützen, die AfD in erster Linie das Staatsvolk erhalten.

Das „Volk“ ist für Christinnen und Christen aber keine wichtige Kategorie. Für sie gilt, dass es in Christus weder „Jude noch Grieche“, weder Deutschen noch Syrer gibt, sondern alle das gleiche Lebensrecht haben, ungeboren oder geboren. Diese Idee ist von der AfD weiter entfernt als vom Islam.

Die Position der AfD zum Thema Abtreibung kann also, wenn man sich näher damit beschäftigt, kein Grund für Evangelikale sein, diese Partei zu unterstützen. Es wäre schön, wenn auch die Redaktion von ideaSpektrum dies immer wieder deutlich machte.

Warum „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ ein unchristlicher Satz ist

Ja, ich faste Social Media, aber bloggen zählt nicht dazu, da ist bei mir die Suchtgefahr auch nicht so groß, aber ich weiß natürlich, dass dies in meinen Accounts auftauchen wird. Ist halt ein Lebenszeichen, was soll’s?

Hab auch zuerst überprüft, ob Philipp Kurowski oder Michael Coors nicht bereits etwas dazu geschrieben haben, was in dem Fall ungleich klüger wäre als alles, was ich hier verbreiten könnte. Haben sie nicht. Darum darf ich:

Die Debatte, ob „der Islam“ (was ist das?) zu „Deutschland“ (was ist das?) „gehört“ (was ist das?) ist alt und nervig, und der Satz, ob mit oder ohne Negierung, eigentlich völlig ohne Aussage, weil er nur drei Chiffren enthält, die jeder füllen kann, wie sie will. Verständlich wird er erst durch Kontext und Begründung.

Jetzt hat der Herr Innenminister ihn wieder mal rausgehauen, mit Negierung natürlich. Wie er das meint – außer der Intention zu poltern und andern die Show zu stehlen – erklärt sich erst aus der Begründung, die er nachlieferte:

„Dass Deutschland geschichtlich und kulturell christlich-jüdisch und nicht islamisch geprägt ist, kann doch niemand ernsthaft bestreiten.“

Könnte man durchaus und auf den Einfluss des Islam auf Kultur, Wissenschaft und Medizin in Europa hinweisen. Eine Erinnerung an die Bedeutung der Mauren für die Medizin könnte auch die derzeitige Debatte über so manche „Mohren-Apotheke“ entschärfen. Auch käme es gut an, wenn ein ehemaliger Gesundheitsminister mal von Averroes oder Avicenna gehört hätte. Aber vielleicht ist Einfluss noch etwas anderes als Prägung. Dann würde der Satz stimmen.
Man könnte auch fragen, ob es einer christlich-jüdisch geprägten Kultur nicht gut zu Gesicht stünde, Menschen in Not bedingungslos aufzunehmen und mit ihnen unseren Reichtum zu teilen. Lassen wir auch das heute mal und stimmen dem Herrn Innenminister for the sake of the argument zu. Dann ergibt sich folgende Regel: Wenn ein Land in seiner Kultur von einer Religion geprägt sei, dann gehöre eine andere Religion nicht zu diesem Land.

Deutschland jüdisch-christlich geprägt. Ja, das stimmt historisch. Denn auch wenn der nahöstliche Erlöserkult nicht aus Deutschland stammt – das Deutschland, das wir mit einigen Modifikationen seit Karl dem Großen kennen, ist weder territorial noch ethnisch noch kulturell das Germanien, in das dieser Erlöserkult mal kam.

Gehört damit keine andere Religion dazu? Sind uns zwar die jeweiligen Gläubigen grundsätzlich als Mitbürgerinnen willkommen, aber ihre Religion darf bitte nicht  kulturprägend wirken?

Das müsste dann ja auch umgekehrt gelten. Dass die Türkei oder der Iran, Malaysia oder die Malediven geschichtlich und kulturell durch den Islam geprägt sind oder Sri Lanka oder Mynmar durch den Buddhismus und nicht durch das Christentum, kann doch auch niemand ernsthaft bestreiten. (Siehe oben die Gedanken zur Unterscheidung von Einfluss und Prägung.) Nach dieser Logik gehört das Christentum nicht zur Türkei oder zum Iran. Wer als Christ in diesen Ländern nicht nur im Sinne eines „religiösen Existenzminimums“ im stillen Kämmerlein glauben, sondern seinen Glauben wirklich ausüben möchte, soll sich eben nicht wundern, wenn das in diesem Land nicht geht und Verstöße unter Strafe stehen. Kann ja nach Deutschland auswandern. Ach so, nee …

Sich als CSU-Politiker in Zukunft für, sagen wir mal, den Bau von Kirchen in der Türkei einzusetzen, geht mit der Logik natürlich nicht mehr. Denn das Christentum gehört ja nicht zu einem islamisch geprägten Land.

So meint der Herr Innenminister das wohl nicht, aber es ist blöderweise die logische Konsequenz aus der Begründung seiner Äußerung. Außer er wollte der einen Religion mehr Rechte zugestehen als der anderen, was wieder ein problematisches Verständnis des Rechtsstaats wäre – und das kann ich mir bei einem Innenminister nicht vorstellen (*scnr*). Die Begründung seiner Islam-Äußerung ist darum ein Schlag ins Gesicht für Christinnen und Christen weltweit, die unter Einschränkungen und Verfolgung zu leiden haben. Ihnen wird, wenn sie auf Religionsfreiheit pochen, dieselbe Logik begegnen. Pech gehabt. Verfolgte Christinnen und Christen haben einen weiteren glaubwürdigen Fürsprecher in Deutschland verloren.

Wer die Zugehörigkeit einer Religion zu einem Land jeweils auf das Land beschränkt, das schon durch sie geprägt ist, hat Religion nicht verstanden. Man kann Religionen mit mehr oder weniger (meist weniger) guten Gründen komplett ablehnen. Dann gehören sie nirgendwo hin. Oder man respektiert sie in ihrem Selbstverständnis. Dann gehören sie überall hin, oder es sind keine Religionen, sondern bloß Regionalkulte. Dass eine Religion nur an manche Orte gehört, aber an andere nicht – dieser Gedanke ist dem Christentum, das unser Land doch geprägt hat, völlig fremd. Christinnen und Christen in anderen Ländern wissen das noch, unser Innenminister scheint es vergessen zu haben.

Als unser damaliger Bundespräsident den umstrittenen Satz getan hatte, dass der Islam zu Deutschland gehöre, trat er übrigens zwei Wochen später in der Türkei auf, wo man die Debatte sicher aufmerksam verfolgt hatte, und sagte dort: „Das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei.“ Er hatte es verstanden.

 

Was Sie in der Vorweihnachtszeit auf keinen Fall tun sollten …

Schön, in diesen Tagen eine Weihnachtsfeier begehen zu können. Ja, ich würde sogar sagen: Feiern. Denn wenn Weihnachten dann erstmal losgegangen ist, dann hat man ja für Weihnachtsfeiern gar keine Zeit. Also besser, wir ziehen es vor. So wie Aldi und Lidl und die anderen. Nicht in den September, aber in den Advent.

Um die Adventszeit so richtig vorweihnachtlich genießen zu können, gibt es ein paar Dinge, die man unbedingt braucht. Und ein paar, die man auf jeden Fall vermeiden sollte.

Was braucht man unbedingt für eine besinnliche Vorweihnachtszeit? Lebkuchen und Kinderpunsch, leichte Weihnachtslieder aus dem Radio oder sogar selbst gesungen. In der dunklen Jahreszeit viele kleine Lichter anmachen. Wenn’s geht, Schnee.
Ich bin selber in diesen Tagen auch über den Weihnachtsmarkt gelaufen, natürlich nur zu wissenschaftlichen Zwecken: Ich habe einen äußerst gewagten Selbstversuch gemacht und kann jetzt aus eigener Erfahrung bestätigen: Ein Weihnachtsmarkt ist, zumindest vormittags, auch nüchtern sehr gut zu ertragen. Wissen viele nicht.

Ein paar Wochen sich so als Familie zu Hause und als Gesellschaft zusammen es sich ein bisschen schönmachen. Ein bisschen heile Welt spielen, nur zwischendurch mal, wir wissen es ja besser. Aber das darf doch auch mal sein. Natürlich.

Es gibt nur eins, was Sie auf jeden Fall vermeiden sollten, wenn Sie nicht wollen, dass Ihnen die schöne Vorweihnachtsstimmung verdorben wird. Ich warne Sie nur einmal: Betreten Sie auf keinen Fall eine Kirche. Vier Ausrufezeichen!

Tun Sie’s nicht. Glauben Sie mir, ich kenn mich da aus.

Denn in der Kirche, da bekommen Sie teilweise tatsächlich etwas vom wahren Leben zu hören. Von der Realität. In der Vorweihnachtszeit! Die haben doch wohl nicht alle Kerzen am Kranz!

Hören Sie nur mal Worte aus dem Predigttext für den 2. Advent:

Kurze Zeit haben sie dein heiliges Volk vertrieben, unsere Widersacher haben dein Heiligtum zertreten. Wir sind geworden wie solche, über die du niemals herrschtest, wie Leute, über die dein Name nie genannt wurde. Ach, dass du den Himmel zerrissest und führest herab, dass die Berge vor dir zerflössen, wie Feuer Reisig entzündet, wie Feuer Wasser sieden macht, dass dein Name kundwürde unter deinen Feinden und die Völker vor dir zittern müssten, wenn du furchtbares tust, dass wir nicht erwarten. (Jesaja 63f)

Oder hier, aus dem Neuen Testament, da gilt ja meist als etwas netter:

Und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. (Lukas 21)

Es ist, als würde man die Tagesschau anmachen, nur noch schlimmer. Noch verdichteter. Die Bibeltexte der Adventszeit, und auch viele der Lieder, die dort gesungen werden, die erzählen von einer kaputten Welt, die sich nach Heilung sehnt. Von einer unerlösten Welt, die nach Erlösung schreit. So wie wir sie sonst schon das ganze Jahr haben. Ist so etwas in der Vorweihnachtszeit eigentlich erlaubt? Fünf Fragezeichen, drei Ausrufezeichen.

Klar, manche Leute sagen: Religion ist was für Leute, die vor der Realität flüchten wollen. Aber passen Sie auf. Wenn Sie wirklich vor der Realität flüchten wollen, dann machen Sie zumindest in der Adventszeit einen großen Bogen um jede Kirche!

Außer, Sie wissen, dass Sie das mit dem Ausblenden des echten Lebens doch nicht dauerhaft hinbekommen.

Dann hat man zwei Möglichkeiten: Man lässt den Trubel der Besinnlichkeit gleich und begeht den Dezember wie jeden anderen dunklen Monat auch. Oder man hofft, dass Gott selber auch nicht vor der Realität flüchtet. Darum geht es im Advent und an Weihnachten: Gott ist aus seiner perfekten Dimension, wo alles heil ist, mitten reingekommen in das wirkliche Leben. In die kaputte und unerlöste Welt. Um sie heil zu machen, um sie zu erlösen.  Um das zu hören, ist die Kirche vielleicht doch eine ganz gute Adresse. Um es zu feiern, jeder Ort.

(Überarbeitung einer kleinen Schreibübung, aus der eine Ansprache bei einer Seniorenweihnachtsfeier wurde.)

5 neue Ablassthesen Martin Luthers entdeckt

Wittenberg / Bielefeld – Hätte die Reformationsgeschichte völlig anders verlaufen können? Darauf deutet ein Sensationsfund von Archäologen der Universität Bielefeld hin, der bei den Bauarbeiten zur Renovierung der Wittenberger Schlosskirche zutage trat.

„Wir haben es erst selbst nicht geglaubt, aber die Nummerierung und die unverkennbare Handschrift ließen am Ende keinen Zweifel mehr zu“, äußert sich Prof. Dr. Margrit Waendehamer immer noch sichtlich bewegt. „Schon lange haben Lutherforscher gefragt, warum es genau 95 Thesen waren. Ist ihm einfach nichts mehr eingefallen oder was? Ich meine, wir reden hier von Martin Luther!“ Aber die Lösung scheint noch prosaischer. „Allem Anschein nach hat er die Thesen 96-100 auf ein weiteres Blatt geschrieben. Dieses ist ihm dann auf dem Weg zur Schlosskirche verloren gegangen, was er in der Dunkelheit des Allerheiligenvorabends nicht bemerkte. Wahrscheinlich hat eine Ratte sie in ihren Bau geschleppt, das Papier für ungenießbar befunden und wurde dann in einer Luftblase unter einer Kürbislaterne isoliert. Erst jetzt im Zuge der Öffnung des Bodens konnte das fehlende Blatt sichergestellt werden.“

Reformationsbotschafterin Margot Käßmann zeigt sich erstaunt und leicht angeheitert von der Meldung. „Das eigentlich Erstaunliche ist doch gar nicht der Fund oder gar“ – sie schmunzelt – „der Inhalt des Schriftstücks, sondern der Umstand, wie naheliegend diese Antwort auf die Frage nach der Anzahl war. Natürlich waren es 100 Thesen, das war eine runde Zahl. Jemand wie der Marburger Theologe Rudolf Bultmann wäre wahrscheinlich sofort drauf gekommen, dass da ein Blatt verlorengegangen sein muss. Aber der hat sich ja bloß immer fürs Neue Testament interessiert.“

Ganz uninteressant ist der Inhalt der Thesen 96 bis 100 freilich gerade für die Ökumene nicht. Darin äußert sich der damalige Wittenberger Professor explizit zur finanziellen Situation der Kirche und zur Lösung ihres Schuldenproblems. So schreibt er:

96. Man soll die Christen vermahnen, dass es ein gar unchristlich Geschäft sei, Geld auf Zins zu verleihen, wie denn auch Moses schreibt Leviticus 25.
97. Desgleichen soll man lehren, es sei nicht recht, dass die Kirche mit auf Zins geliehenem Gelde einen Dom baue.
98. Wo dergleichen aber geschehen, muss die Kirche sich befleißigen, die Schulden samt Zins recht bald zu begleichen.
99. Es ist aber kein rechter Umgang mit des Papstes Ablass, diesen zu solchem Zwecke für Geld zu verkaufen.
100. Dem abzuhülfen gedenke ich, weitere Schriften, etwa von Ablass und Genaden sowie von der Freiheit eines Christenmenschen, einen Katechismus und, so es die Zeit erlaubt, eine teutsche Übersetzung der Heiligen Schrift zu verfassen, den Erlös aus deren Verkauf ich der Begleichung der Schulden des Papstes gleich wie dem Bau der Peterskirche zu Rom stifte, welches ein gottwohlgefälliges Werk ist.

„Luther war an Geld bekanntermaßen wenig interessiert“, weiß auch Bert Kardinal Becker (Name geändert) vom Päpstlichen Rat zur Förderung der  Einheit der Christen. „Insofern verwundert es nicht, dass er den Erlös aus seinen Schriften zu spenden gedachte. Und seien wir mal ehrlich: Klar haben wir mit theologischer Begründung seine Lehren bis heute nicht akzeptiert. Aber die Kirche stand damals vor allem wegen ihrer Schulden bei den Fuggern unter enormem Druck. Der Verkauf der Ablässe war gewissermaßen das erste erfolgreiche Fundraising-Modell. Das haben viele protestantische Kirchen gerade in Amerika, theologisch nur leicht modifiziert, fast unverändert übernommen. Da hätten wir mal Urheberrecht drauf einklagen sollen.“ Becker findet den Faden wieder: „Da kam nun dieser Mönch und sagte, es sei theologisch gar nicht haltbar. Wenn Sie versprechen, meinen Namen da rauszuhalten: Damit hatte er natürlich Recht. Aber stellen Sie sich mal vor, wir hätten das zugegeben. Dann würden wir heute noch an der Begleichung der Zinsen sitzen.“

In diesem Licht ist Luthers Angebot, nun selbst zur Finanzierung des Petersdoms beizutragen, gar nicht hoch genug einzuschätzen. „Letztlich hätten weder Eck noch Cajetan noch der Heilige Vater selbst irgendein Interesse daran gehabt, gute andere Modelle zu unterdrücken. Vielleicht hätte man in Frankreich, Italien, Spanien weiter Ablassbriefe verkauft und in Deutschland gleich dreimal so viel Geld mit Luthers Schriften gemacht“, so Becker. „Ein bisschen hätten wir, um das Geschäft anzukurbeln, ihn zum Rebellen gegens Ausland stilisiert, sowas gefällt den Deutschen ja immer gut. Aber unterm Strich hätten die Kirche davon viel mehr profitiert als von diesem Idioten Tetzel. Und ganz nebenbei wäre es wahrscheinlich nie zur Spaltung der abendländischen Kirche gekommen. Das wäre doch auch nicht schlecht, oder?“

Dunkelheit und Windstoß an Halloween 1517 führten wahrscheinlich dazu, dass die Geschichte anders verlief. So feiert die Lutherische Kirche dieses Jahr den 500. Jahrestag der Veröffentlichung eines – wie wir jetzt wissen – unvollständigen Thesenpapiers.

Schönen Reformationstag!

Ein Hochzeitslied

Die Rückmeldungen, die meine Erstlektoren mir zu meiner Halleluja-Dichtung gaben, ließen mich ja nicht ruhen, eine gottesdienstlich taugliche kurze zu dichten. Der erste Versuch ist einer für Hochzeiten. Da hätte man nun wiederum zwei Möglichkeiten: Die klassische wäre, es als Lied der Gemeinde zu Gott für das Brautpaar zu machen. Lass Dich nicht aufhalten, Malte! Die andere, die sich bei mir eher ergab, macht es zum Lied des Brautpaares, in das die Gemeinde mit einstimmt, ähnlich wie bei den Hochzeitsfassungen des „Danke“-Liedes. Der Refrain ist auch hier nicht mit wiedergegeben, weil er sowieso klar ist.

  1. Gemeinsam kommen wir zu dir.
    Vor deinen Stufen stehen wir,
    um heute das Versprechen abzulegen,
    uns treu zu sein ein Leben lang.
    Herr, höre unsern Lobgesang,
    und sprich zu unsrer Liebe deinen Segen.
  2. Wir gehen in die neue Zeit
    bereit für Harmonie und Streit,
    vereint auf schönen und auf schweren Wegen.
    Doch wird das Leben für uns zwei
    vollkommen nur, bist du dabei.
    Auf jedem Schritt begleite uns dein Segen.
  1. Du liebtest uns von Anbeginn
    und trägst uns bis zum Ende hin,
    wenn einst wir uns zur letzten Ruhe legen.
    Lass lieben uns, wie du uns liebst,
    barmherzig sein, wie du vergibst.
    Herr, setze füreinander uns zum Segen.

 

Ein Versuch, ein unübersetzbares Lied zu meinem zu machen

Nachdem der wunderbare Malte Detje dieser Tage mit brillanten Übersetzungen alter englischer Anbetungslieder um die Ecke kam, fühle ich mich ermutigt, ein ganz eigenes, ähnliches und doch ganz anderes Liedprojekt in die Öffentlichkeit zu bringen.

Ich reagiere damit auf Anfragen nach einem tollen und immer beliebteren Lied. Ob man das nicht auch mal im Gottesdienst singen könne. Oder spielen. Was man nicht kann.

Leonard Cohens „Hallelujah“ ist ein bewusst säkulares Lied. Es spielt zwar mit biblischen Motiven (David, Simson), aber wollte nie für liturgischen Gebrauch eingesetzt werden. Die Idee aber, dass das „Hallelujah“ nicht immer fröhlich klingt, dass es häufig im Leid und in Krisen geboren wird, scheint mir nicht säkular, sondern gut biblisch – auch wenn wir dies in unseren Frömmigkeiten oft vergessen.

Immer häufiger wird dieses Lied von Familien für Gottesdienste gewünscht, speziell für Trauungen und –erfeiern. Auf Trauerfeiern spiele ich es vom Band und kann mit der Symbolik und existentiellen Tiefe gut leben, unabhängig von einzelnen Bildern, auf Trauungen ist es tabu. Ich meine, Leute!, Strophe 2 mit ihrer Anspielung auf 2. Samuel 11 geht auf einer Hochzeit gar nicht! Eine auf youtube kursierende deutsche Hochzeitsfassung ist säkular, aber dazu noch Kitsch hoch 3, gottesdienstlich völlig unbrauchbar.

Ich wünschte mir daher schon länger eine für Gottesdienste singbare deutsche Fassung dieses wunderschönen Liedes. Weil ich keine fand, fing ich selber an zu dichten. Mir war wichtig, die Tiefe eines aus dem Leid entspringenden Gotteslobs aus dem Original zu erhalten. Jeden Versuch, auf „Halleluja“ zu reimen, hielte ich im Deutschen für völlig gekünstelt und habe ihn daher verworfen zugunsten eines „reimbareren“ Wortes. Der hier vorgelegte Versuch wurde eher ein christliches Vortragslied als ein Gemeindelied. Eine gewisse christologische Unschärfe ist dem Charakter des Lobpreisliedes sowie der jüdischen Herkunft des Originals geschuldet. Mein Text ist dezidiert christlich, aber wenn ein Jude (oder gar Muslim?) ihn auch mitsingen könnte, würde ich das hier nicht als Schwäche ansehen. Ich danke Rüdiger Fuchs und Stefan Iserhot-Hanke für das freundliche und ehrliche Lektorat. Die meisten ihrer Vorschläge sind hier eingeflossen. Die Idee, es durch Wir-Form allgemeiner singbar zu machen, war schön, hätte aber aus einem guten Vortrags- ein mittelmäßiges Gemeindelied gemacht. Darum sei dieses persönliche Gebetslied nun der Öffentlichkeit und weiteren Verbesserungsideen zur Verfügung gestellt. Ein Entwurf einer Hochzeitsfassung folgt.

  1. An Tagen, wenn das Leben glückt,
    mit Freundlichkeit es mich anblickt,
    mir schenkt, womit ich Leib und Seele nähre –
    das Dunkel aus dem Herzen weicht,
    das Licht einbricht, dann fällt es leicht,
    entspringt von selbst ein Lied zu deiner Ehre.
  2. Ein Schatten liegt schon lang auf mir,
    vergebens rufe ich nach dir,
    seit dein vertrautes Wort ich nicht mehr höre.
    Bin kalt und leer und spür dich nicht,
    doch such ich weiter dein Gesicht.
    Mein Klageschrei noch klingt zu deiner Ehre.
  3. Hab oft mich weit von dir entfernt,
    am Ende einzig dies gelernt:
    Der Weg zerrinnt, auf dem ich mich abkehre.
    Doch du bliebst deiner Liebe treu,
    riefst mich zurück und sprachst mich frei,
    erneuertest mein Leben dir zur Ehre.
  4. Zum frischen Quell, durchs dunkle Tal,
    ins Feindesland, zum reichen Mahl,
    bist Hirte du, bei dem ich nichts entbehre.
    Auch wenn kein Wunder mir geschieht,
    dein Auge Tag für Tag mich sieht.
    Mein Tagewerk geschehe dir zur Ehre.
  1. Die Wüstenglut, der rote Mohn,
    ein Kinderblick, der Orion,
    der Körner und der Sterne große Heere,
    das Auge durch die Sphären schweift,
    mein Herz erbebt, und es begreift:
    Das Weltall ist erfüllt von deiner Ehre
  2. In Frieden sing ich dir allein,
    doch scheint mir oft das Lied zu klein,
    gebührt dir doch der Vollklang aller Chöre.
    Dann lässt du meine Seele sehn:
    Milliarden andre vor dir stehn,
    so klingt die Symphonie zu deiner Ehre.
  3. Du riefst bei meinem Namen mich,
    Nennst dein mich, und ich fürchte nicht
    die unstillbaren Fluten tiefster Meere.
    Und lässt du mich durchs Feuer gehn,
    brennst du mit mir, und es entstehn
    im Leid noch neue Klänge dir zur Ehre.
  1. Am Ende meines Weges dann,
    wenn keinen Trost ich sehen kann,
    den Tod vor Augen, Angst vor ewger Leere,
    blickt unbeirrt dein Angesicht
    mich an, ziehst du mich in dein Licht.
    Noch ewig singen wir zu deiner Ehre.

Berliner Lehrerin provoziert mit Feindesliebe

Berlin / Karlsruhe – Der Fall hatte weit über Berlin hinaus Wellen geschlagen: Nachdem eine Lehrerin aus dem deutschen Problembezirk auf Dienstanweisung hin ihre Halskette mit Kreuz abgenommen hatte, beschwerte sie sich bei einem Pfarrer darüber. Dieser wandte sich an die Kirchenleitung und Synode, worauf dann sogar die Presse es für eine Story hielt.

In Berlin gilt in öffentlichen Einrichtungen ein sogenanntes Neutralitätsgesetz. Es verbietet allen dort Mitarbeitenden das Tragen religiöser Symbole. Was die Ablehnung von allem Religiösen genau zur Neutralität macht, ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen. „Echte Neutralität wäre doch eine duldende Indifferenz, die sich daran nicht weiter stört“, gab Bischof Markus Dröge zu Protokoll. „Sobald etwas zu religiös konkret wird, etwa auf sowas wie einen Gott hinweist, kann man es doch einfach zur Kenntnis nehmen und danach nicht weiter beachten. Mit dieser Art von Neutralität haben wir als Evangelische Kirche gute Erfahrungen.“ Auf Nachfragen zum Neutralitätsverständnis des Landes haben dessen Vertreter bisher unter Berufung auf ihre Neutralität jede Aussage verweigert.

Verschiedenen Berichten zufolge wurde die Lehrerin in den letzten Tagen gesehen, wie sie einen Anhänger mit einem christlichen Fisch-Symbol trug. Seit neuestem jedoch hat die Provokation durch die Lehrerin eine neue Eskalationsstufe erreicht.

„Gerade gestern, Alder, hab isch mit meinen Bros ganzen Flur mit Seifenwasser eingeschmiert“, erzählt der Schüler Fritz M., „Digger, die is da lang un hat sisch voll auf’n Arsch gesetzt. Aber weissu, was sie dann macht? Die steht auf und lächelt und sagt: ‚Ich vergebe euch! Geht in Frieden.‘ Scheise, Alder, das is doch nisch normal. Das is doch voll christlisch.“

Sein Klassenkamerad Murat Y. fügt hinzu: „Tatsächlich kann man diese Umgangsform ganz zweifelsfrei als einen Verstoß gegen das Berliner Neutralitätsgesetz erkennen. Wenn ich aus dem Koranunterricht recht informiert bin, fällt so etwas unter den Begriff der sogenannten Feindesliebe. Und diese ist historisch und sachlich ja wohl eindeutig christlich konnotiert. Im Koran oder im Bürgerlichen Gesetzbuch gibt es dergleichen jedenfalls nicht.“

Andere Mitglieder der Lehrerschaft berichten davon, dass ihre Kollegin neuerdings auf Provokationen wegen ihres Glaubens nur freundlich reagiert. „Neulich habe ich einen vulgären Witz über Jesus gemacht“, erzählt die LER-Lehrerin Kerstin F., „aber sie blieb total freundlich. Später hat sie mir sogar geholfen, meine Ordner zum Auto zu tragen. Perfide Zicke!“

Selbst als sie den stellvertretenden Schulleiter bei dem Versuch gestört hatte, ihre Autoreifen zu zerstechen, soll die Pädagogin lediglich gefragt haben, wie es ihm ginge, und ob sie helfen könne. „Dit hatte schon sehr wat von diesem ‚Andere-Wange-Hinhalten‘!“ erzählt der immer noch schockierte Beamte.

Auch Regierungskreise zeigen sich inzwischen alarmiert. Bildungssenatorin Sandra Scheeres macht es deutlich: „Mein Gott, wie oft muss ich es noch wiederholen? Als öffentliche Einrichtungen des Landes Berlin sind unsere Schulen für Menschen jeder Glaubensrichtung da. Also außer jetzt, sie arbeiten da, dann sollte man es ihnen bitte nicht ansehen. Schmuck- oder Kleidungsstücke, die eine Religion symbolisieren, sind nur eine Möglichkeit, den Glauben zu zeigen. Weiß Gott schlimm genug. Aber wenn sie jetzt mit Barmherzigkeit und Feindesliebe auch noch ein religiös motiviertes Verhalten an den Tag legt, wo soll dann die Grenze sein? Ich hoffe und bete, dass die Kollegin bald zur Vernunft kommt. Wir haben sie daher zu einem Gespräch geladen und vor die Wahl gestellt: Wenn sie auf die nächste Provokation nicht wenigstens mit verbaler Gewalt antwortet wie alle neutralen Berlinerinnen und Berliner, dann war es das mit ihrer Karriere. Sowahr mir Gott helfe!“